GAP 2020: Welchen Weg geht Europas Landwirtschaft ?

Am 8. November fand in Beringen eine Konferenz zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik statt. Organisiert wurde diese Konferenz vom Informationsbüro des Europaparlaments in Luxemburg in Zusammenarbeit mit der Bauernzentrale. Zu den Referenten zählten Landwirtschaftsminister Etgen, der Vize-Präsident von Copa, Franz Reisecker aus Österreich, Dr. Peter Jahr, Europaabgeordneter aus Sachsen, sowie Georges Bach, Luxemburger Europaabgeordneter.

An Interesse an dieser Konferenz fehlte es nicht: Zahlreiche Landwirte und Vertreter von landwirtschaftlichen Organisationen aus allen Produktionsbereichen waren der Einladung gefolgt, unter ihnen auch Vertreter des Landwirtschaftsministeriums aus dem Saarland sowie die Vorsitzenden des ostbelgischen Bauernbundes und des Bauernverbandes Rheinland-Nassau. Begrüßenswerterweise waren viele Junglandwirte und angehende Junglandwirte, darunter Schüler aus der Ackerbauschule mit ihrem Direktor präsent. Schließlich geht es direkt um ihre berufliche Zukunft.

An dieser Stelle richtet die Bauernzentrale nochmals eine großen Dank an die Verantwortlichen des Informationsbüros des Europaparlamentes in Luxemburg, ebenso wie an die Referenten.

Hier können Sie die Ausführungen der einzelnen Referenten, ebenso wie die anschließende Diskussion nachlesen.

Franz Reisecker, Copa Vize-Präsident:

Landwirtschaftspolitik ist nicht nur Ausgleichspolitik

Franz Reisecker, Vize-Präsident von Copa und selbst Landwirt in Oberösterreich, geht in seinen Ausführungen vorwiegend auf die Überlegungen von Copa und Cogeca, den europäischen Bauern- und Genossenschaftsorganisationen, ein, beginnend mit einem Blick auf die sich in Bezug auf den künftigen EU-Haushalt stellenden Fragen. Die durch den Brexit entstehende Lücke gilt es irgendwie zu kompensieren. Wenn nämlich nicht genug Geld vorhanden ist, wird es schwierig sein, insgesamt eine zukunftsorientierte Politik zu tätigen, zumal sich in der EU neue Aufgabenbereiche stellen werden. Besonders gravierend ist das Risiko, dass die Lücke im EU-Haushalt sowie ebenfalls das eventuell zusätzlich benötigte Geld auf Kosten der Landwirtschaft gehen dürfte. Ob die Mitgliedstaaten zu einer Anhebung ihrer Beiträge bereit sind, bleibt ungewiss. Laut Kommissar Oettinger bleibt eine solche Anhebung der einzelstaatlichen Beiträge zum EU-Haushalt eine mögliche, aber ungewisse Option. In Diskussion bleibt ebenfalls die Struktur insgesamt des EU-Haushaltes. Dabei geht es um die Laufzeit des Budgets, die Frage der Eigenmittel sowie auch der Rechenschaftspflicht. Copa und Cogeca haben sich im Namen der europäischen Landwirtschaft allemal nachdrücklich gegen jedwede Kürzung des Agrarbudgets ausgesprochen.

In Bezug auf die Ausrichtung der GAP nach 2020 unterstreichen Copa und Cogeca, dass die Agrarpolitik oder, wie Franz Reisecker sie bezeichnet, die Landwirtschaftspolitik nicht nur eine Ausgleichspolitik ist, sondern tatsächlich als Einkommenspolitik zu Gunsten der Betriebe konzipiert wird. Hierbei steht auch der Verbraucher in der Pflicht.

Auch brauche die Landwirtschaft keine Revolution, d.h. keine Totalreform der GAP, sondern eine Evolution, die auch die notwendige Planungssicherheit gibt. Die Landwirtschaft braucht eine langfristige Stabilität ihres politischen Rahmenwerks, um dafür zu sorgen, dass der Agrarsektor wirtschaftlich bestandsfähig und nachhaltig ist. Ein wirtschaftlich bestandsfähiger, marktorientierter Agrarsektor ist die Voraussetzung, um öffentliche und ökologische Güter und Dienstleistungen zum Nutzen der Gesellschaft zu erbringen.

Bestehendes Verbessern

Copa und Cogeca sprechen sich gegen eine Renationalisierung der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik aus. Gemeinsame Regeln sind nicht nur wichtig, um weiterhin die hohen Qualitätsstandards zu gewährleisten, sondern auch in Bezug auf die Handelsabkommen. Deshalb bleibt eine starke GAP mit gleichen Regeln für alle unabdingbar.

Allerdings brauchen die Landwirte eine vereinfachte, entbürokratisierte Politik, wobei die Vereinfachungen nicht nur für die Verwaltungen gelten sollen, sondern vor allem auch für die Landwirte. Bei der GAP nach 2020 muss jedenfalls in diese Richtung gearbeitet werden.

2-Säulen-Struktur beibehalten

Copa und Cogeca sprechen sich deutlich für das Beibehalten der 2-Säulen-Struktur der GAP aus, wobei die 1. Säule die Grundlage der GAP ist und eine eminent wichtige Rolle in Bezug auf das Einkommen spielt. In dem Sinn kann man sich vorstellen, das Greening in der 1. Säule zu reduzieren und in die 2. Säule zu verlagern, wo mit maßgeschneiderten Lösungen auf Ebene der Betriebe den sich stellenden Herausforderungen in Bezug auf Umwelt-, Klima- oder Wasserschutz begegnet werden soll. Allerdings sollten gekoppelte Zahlungen unter präzisen und begrenzten Bedingungen weiterbestehen, um Sektoren, insbesondere die Viehzucht, in Regionen zu unterstützen, in denen andere politische Instrumente nicht verfügbar oder weniger wirksam sind.

Risikomanagement

Größere Marktvolatilität, vermehrtes Auftreten neuer Tier- und Pflanzenkrankheiten und häufigerer extremer Wetterphänomene infolge des Klimawandels werden die Zukunft kennzeichnen. Die Landwirtschaft kann diese zunehmenden Risiken nicht allein tragen, Deshalb müssen in der 2. Säule entsprechende Instrumente vorgesehen werden, wobei die verschiedenen Risikomanagementinstrumente komplementär sein müssen.

Stärkung der Stellung der Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette

Die Stärkung der Stellung der Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette sowie der Kampf gegen unlautere Handelspraktiken dürften von grundlegender Bedeutung sein, um die Einkommenssituation der Landwirte zu verbessern. Die unterstützten Maßnahmen müssen über eine simple Angebotskonzentration hinausgehen und Aktivitäten zur Mehrwertschöpfung in der Lebensmittelerzeugung, die Entwicklung von alternativen Produkten sowie das Inverkehrbringen auf den Markt fördern.

Förderung der Junglandwirte

Die Landwirtschaft und mithin die Gemeinsame Agrarpolitik müssen reale Zukunftsperspektiven bieten, ansonsten junge Menschen nicht dafür begeistert werden können, in die Landwirtschaft einzusteigen. Der Altersdurchschnitt bei den Landwirten in der EU liegt derzeit bei fast 60 Jahren. Allein diese Zahl zeigt deutlich, dass die EU unbedingt mehr junge Landwirte braucht. Deshalb muss die zukünftige GAP eine Reihe gezielterer und effizienterer Maßnahmen hinsichtlich des Generationswechsels enthalten, damit die Zahl der jüngeren Neueinsteiger in den Sektor zunimmt, soziale Nachhaltigkeit verbessert und Landflucht verhindert werden. Diese Maßnahmen sollten vorzugsweise im Rahmen der ländlichen Entwicklungspolitik eingeführt werden. Es müssen Anreize geschaffen werden, damit Junglandwirte einen Betrieb übernehmen. Dazu gehören Beihilfen für betriebliche Investitionen und der Zugang zum Kredit. Zusätzlich bedarf es langfristigerer Maßnahmen, die die Entwicklung des landwirtschaftlichen Betriebs begleiten.

Schlussfolgernd unterstreicht Franz Reisecker nochmals, dass die EU auch weiterhin eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Landwirtschaft braucht, die die Lebensmittelversorgung sichert, unersetzliche Dienstleistungen im Bereich Umwelt- und Klimaschutz erbringt sowie sonstige wertvolle sogenannte öffentliche Güter herstellt. Die künftige Agrarpolitik muss aber auch sicherstellen, dass den Landwirten ein angemessenes Einkommen zukommt und die europäische Landwirtschaft, letztlich auch mit Blick auf die Freihandelsabkommen, im internationalen Wettbewerb bestehen kann.

Dr. Peter Jahr:

Omnibusregelung und Blick in die Zukunft

In der GAP nach 2020 muss sich auf die Kernziele der europäischen Agrarpolitik fokussiert werden, so Dr. Peter Jahr, Europarlamentarier aus Sachsen und nebenberuflicher Landwirt. Eine Reduzierung der europäischen Regularien ist absolut von Nöten, um Rechtssicherheit für Antragsteller, aber auch für die Verwaltungen zu ermöglichen.

Omnibusverordnung

In seinen Ausführungen geht der Redner zunächst auf die sogenannte Omnibusverordnung ein. Es ist dies eine Art Halbzeitbewertung der GAP, gleichzeitig auch eine Minireform. Allerdings sind die Maßnahmen noch nicht umsetzbar. Am 12. Oktober erreichte der Trilog aus EU-Kommission, Rat und Europaparlament eine Einigung im Agrarteil der Omnibusverordnung. Dabei wurde sich auf einige weitere Vereinfachungen der GAP vor allem in den Bereichen Greening, Erzeugerorganisationen und Einkommensstabilisierung verständigt. Die festgehaltenen Maßnahmen sollen voraussichtlich zum 1. Januar 2018 in Kraft treten. Nachdem die EU-Institutionen die Änderungen zur GAP final ratifiziert haben, liegt es an den Mitgliedstaaten, diese im nationalen Recht zu verankern.

Der Europapolitiker skizziert die einzelnen festgehaltenen Maßnahmen (siehe Kasten), zeigt sich aber eher verärgert darüber, dass zwei wichtige Forderungen der EU-Parlamentarier – und zwar die Laufzeitverlängerung der jetzigen GAP bis 2024 und die Implementierung von ELER Reset – nicht zurückbehalten wurden. Bei ELER Reset handelt es sich um eine Entbürokatisierungsinitiative, mit der der Verwaltungsaufwand in den Programmen für den ländlichen Raum wesentlich gesenkt worden wäre.

Mit der Omnibusverordnung wurde rezent auch ein Verfahren der Überarbeitung des mehrjährigen Finanzrahmens eröffnet. Der Agraretat ist bis 2020 gesichert; um aber bei der Omnisbusverordnung schneller voran zu kommen, wäre es sinnvoll, den Agrarteil aus dieser Verordnung herauszulösen.

Die GAP nach 2020

Einleitend zu den Ausführungen über die künftige Ausrichtung der GAP – erinnern wir daran, dass bislang dazu nur ein nicht offizielles Arbeitsdokument der Kommission vorliegt – geht Peter Jahr nochmals auf die Resultate der von der Kommission vom 2. Februar bis Anfang Mai initiierten öffentlichen Konsultation zur Zukunft der GAP ein. Insgesamt 322.916 Antworten waren eingegangen (1.221 aus Luxemburg). Da über 250.000 Antworten praktisch computergeneriert und völlig deckungsgleich auf Initiative der Ökolobby eingereicht worden waren, wurden letztlich nur 58.520 Antworten ausgewertet, 21.386 Antworten von Landwirten, 27.893 von privaten Bürgern und 9.241 von Unternehmen und Organisationen. Die hohe Beteiligung der Bürger an der Befragung wurde als Zeichen des Interesses an der Landwirtschaft und der Agrarpolitik gewertet. In den Antworten der Landwirte kamen die Anliegen des Sektors klar zum Ausdruck.

Die Mitteilung der Kommission – ungenau und sehr allgemein

Die Mitteilung der Kommission zur Ausrichtung der GAP nach 2020, auch als Zukunftspapier der Kommission bezeichnet, soll am 29. November von Agrarkommissar Hogan vorgestellt werden. Diese Mitteilung gestaltet sich laut bisherigen Informationen ungenau und sehr allgemein, was sehr viel Interpretationsspielraum zulässt. Entsprechend den bislang durchgesickerten oder wissentlich enthüllten Informationen, werden eine Reihe von Punkten bzw. Problemen darin aufgeworfen, u.a.

  • das Problem des Investitionsstaus in der Landwirtschaft,
  • die Einrichtung eines Krisenfonds,
  • die Stärkung der Position der Landwirte in der Wertschöpfungskette,
  • die Verjüngung der Bevölkerung in den ländlichen Regionen,
  • die in den ländlichen Räumen bestehenden Strukturprobleme,
  • der Kampf gegen den Klimawandel,
  • die Frage einer „gerechteren“ Agrarpolitik,
  • auch die Frage der Zielorientierung der 1. Säule.

Peter Jahr setzt sich sehr kritisch mit verschiedenen dieser aufgelisteten Punkte auseinander. Um den Investitionsstau in der Landwirtschaft zu verringern, soll die Europäische Investitionsbank (EIB) den Landwirten mehr Unterstützung zukommen lassen. Sicher müsse die Landwirtschaft sich modernisieren und wichtig sei es deshalb auch, eine aktive Politik in dieser Richtung zu betreiben. Im Zusammenhang mit dem Krisenfonds stelle sich zum einen die Frage, was eine Krise ist, zum anderen die Frage der Gestaltung eines solchen Krisenfonds – bereits heute existiert ein solcher – und der Ausstattung eines solchen Fonds.

Das Ziel einer Verjüngung der Bevölkerung in den ländlichen Regionen und vor allem auch der Landwirtschaft sei sicherlich berechtigt und wichtig, so der Redner. Die zukünftige GAP müsse denn auch stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Junglandwirte eingehen. Gegenwärtig sei nämlich insbesondere der hohe Altersdurchschnitt in der Landwirtschaft vieler Gebiete problematisch.

Zurecht unterstreicht Peter Jahr auch, dass der Begriff einer „gerechten“ Agrarpolitik sehr vielfältig und weitreichend ist. Es geht hierbei um die Frage der Deckelung und der Degressivität der Direktzahlungen, der Konvergenz oder der Annäherung der Direktzahlungen innerhalb der Mitgliedstaaten und zwischen den Mitgliedstaaten. Es geht auch um die kolateralen Schäden der entkoppelten Zahlungen. Des Weiteren plädiert Peter Jahr dafür, künftig die Direktzahlungen nicht mehr nur an die Fläche zu binden, sondern auch an die Viehhaltung, um damit Gemischtbetrieben verstärkt Rechnung zu tragen. Viehhaltende Betriebe seien gegenüber den reinen Ackerbauern deutlich benachteiligt. Deshalb sollte es eine bestimmte Prämie je Großvieheinheit geben. Dabei müsse die Tierhaltung natürlich auch an die Fläche gebunden sein, um einen zu starken Viehbesatz zu vermeiden. Eine Bindung der Flächenprämie an die Arbeitskraft lehnt er eher ab: Dies sei äußerst innovationsfeindlich. Auch spricht er sich gegen die Überlegung der EU-Kommission aus, die Flächenprämie auf 60.000 Euro bis 100.000 Euro jährlich zu kappen – dabei wird immer wieder angeführt, dass gegenwärtig etwa 20% der Landwirte zusammen rund 80% der Direktzahlungen erhielten. Die Diskussionen um die Zielorientierung der 1. Säule riskieren gefährlich zu werden, da gerade die 1. Säule im Fokus der öffentlichen Diskussion steht und die dabei an die Landwirtschaft gestellten Ansprüche immer höher geschraubt werden. Zudem riskiert die Bürokratie in Wirklichkeit noch zuzunehmen.

Auch müsse die Frage gestellt werden, ob das Greening überhaupt in die 1. Säule gehört, so Jahr, der es nicht für den richtigen Weg hält, die 1. Säule immer „greener“ zu gestalten, um die entsprechenden Gelder zu retten. Bereits jetzt seien die Direktzahlungen überfüllt mit Anforderungen. Ihm zufolge sollte sich die 1. Säule darauf beschränken, den landwirtschaftlichen Betrieben einen gemeinschaftlichen Ausgleich für die im Vergleich zu Drittstaaten höheren EU-Standards zu gewähren und die Umweltaspekte sollten in die 2. Säule verlagert werden.

Mehr fachpolitische anstatt ideologische Entscheidungen

Bedauern und kritisieren tut Dr. Jahr das Verbot von Pflanzenschutzmitteln beim Anbau von Bohnen und Erbsen auf Greeningflächen. 13 Stimmen fehlten bei der Abstimmung im Europaparlament, um die entsprechende Rechtsakte zurückzuweisen. Damit wurde der Anbau von Eiweißpflanzen auf rund 300.000 ha in der EU praktisch gekillt.

Abschließend zu seinen Ausführungen fordert Dr. Jahr insgesamt mehr fachpolitische und wissenschaftsbasierte Entscheidungen in der Agrarpolitik. Dabei visiert er klar die Diskussionen um Glyphosat an, darüber hinaus insgesamt die Debatten zu Düngung und Pflanzenschutzmitteln. Gerade in diesen Bereichen verlangt er eine wissenschaftliche Fachpolitik und nicht ideologisch getriebene Entscheidungen.

 

Die Roadmap der Kommisison

Eine viel gestellte Frage betrifft den Zeitplan zur Entscheidungsfindung und Umsetzung der GAP nach 2020.

Nachstehend die Etappen, so wie sie derzeit geplant sind:

  • November 2017: Annahme der Mitteilung zur künftigen GAP durch die Kommission und Vorstellung derselben
  • /12. Dezember 2017: Vorstellung der Mitteilung im Agrarrat und erster Meinungsaustausch
  • Januar bis April 2018: Vorstellung der Ergebnisse des Impact Assessment
  • Mai 2018: Vorstellung des künftigen Mehrjährigen Finanzrahmens der EU nach 2020
  • Semester 2018: Veröffentlichung der legislativen Vorschläge zur Reform; anschließend Diskussion derselben im Rat und im Europaparlament

Weitere wichtige Daten, die einen entscheidenden Einfluss auf die Diskussionen zur GAP nach 2020 haben werden:

  • März 2019: Austritt Großbritanniens aus der EU
  • Mai 2019: Wahlen für das Europaparlament
  • bis Ende 2019: Erneuerung der EU-Kommission

Erwartungsgemäß dürften angesichts der Wahlen zum Europaparlament die Diskussionen und die Entscheidungsfindung zur GAP sich deutlich verzögern.

 

Die wichtigsten Elemente aus der Omnibusverordnung

  • Zeitweilige Nutzung von Ackerland als Grünland: eine Rückwandlung von Grünland in Ackerland soll bis zum 30.12.2022 möglich sein
  • Anhebung der Grenze, ab der ein Betrieb dazu verpflichtet ist, ökologische Vorrangflächen und eine Anbaudiversifizierung durchzuführen, auf 30 ha Ackerfläche. Bislang müssen auch Betriebe, die lediglich 15 ha Acker bewirtschaften, 5% ökologische Vorrangflächen vorweisen.
  • Ausweitung der zulässigen Greeningpflanzen auf Vorrangflächen auf Miscanthus, Durchwachsende Silphie und Honigpflanzen. Diese Arten sind u.a. für die Biogaserzeugung interessant.
  • Anhebung des Gewichtungsfaktors bei Eiweißpflanzen von 0,7 auf 1,0 und bei Kurzumtriebsplantagen von 0,3 auf 0,5.
  • Vereinfachung bei der Schaffung von landwirtschaftlichen Erzeugerorganisationen: Dazu sollen die Wettbewerbsregeln in der Landwirtschaft weniger streng ausgelegt werden als in anderen Wirtschaftsbereichen.
  • Rückführung der Definition des „aktiven Landwirts“ in die Zuständigkeit der Nationalstaaten.
  • Verbesserung der Bedingungen für die Zusatzprämie für Junglandwirte: Der Anspruch auf eine Zahlung soll über volle fünf Jahre bis zum Alter von 40 Jahren gelten.
  • Stärkung der Risikomanagementmaßnahmen: Die Versicherungsinstrumente sollen bereits bei einem Ernteausfall von 20% greifen, anstatt bislang erst ab 30%.

Wie erwähnt, müssen diese Maßnahmen noch definitiv verabschiedet und als dann in nationales Recht umgesetzt werden.

 

Georges Bach:

Weg vom Misstrauen hin zum Vertrauen

Georges Bach, Luxemburger Europaabgeordneter, stellt in seinen Ausführungen zunächst die Frage inwieweit die ursprünglich festgelegten Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik erreicht wurden. Dabei sieht die Bilanz in etwa wie folgt aus: Die Ziele betreffend den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren und die Steigerung der Produktivität wurden klar erreicht. Dahingegen wurden die Ziele betreffend die Stabilisierung der Märkte und des Einkommens nicht unbedingt erreicht. Sicher ist die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sichergestellt. Diesbezüglich gilt es jedoch, das Bevölkerungswachstum nicht aus den Augen zu verlieren. Und schließlich wurde das Ziel angemessener Preise wohl für die Verbraucher, jedoch nicht für die Erzeuger erreicht. Bei der Neuausrichtung der GAP muss sich diesen unzureichend erfüllten Verpflichtungen gestellt werden.

Der Blick in die Zukunft führt dazu, sich besonders mit den zu erwartenden Herausforderungen zu beschäftigen. Dabei ist und bleibt der EU-Haushalt das A und O, wobei sich jedoch wenig Bereitschaft abzeichnet, ein ausreichendes Budget zu sichern.

Klima- und Umweltfragen stellen sicherlich eine gewichtige Herausforderung dar, zumal diese Themen sehr emotional in der Bevölkerung geführt werden. Eine ebenfalls gewichtige Herausforderung ist das Wachstum der Weltbevölkerung. Es gilt die Weichen so zu stellen, dass die Nahrungsmittelversorgung gesichert werden kann, dass auch gleichzeitig – angesichts der vielfältigen, wiederholt an die Landwirtschaft gerichteten Kritiken – die Bedeutung der Landwirtschaft immer wieder hervorgehoben wird.

In seinen Ausführungen erwähnt Georges Bach alsdann eine Reihe von weiteren Themen, mit denen sich auseinander gesetzt werden muss, darunter die fehlende Attraktivität des Berufes, bedingt durch unzureichendes Einkommen und wenig Anerkennung, die bislang ungenügende landwirtschaftlich orientierte Forschung mit Wissenstransfer und Umsetzung in die Praxis, die Kreislaufwirtschaft bzw. die Förderung der Wiederverwertung, das Problem der Altersarmut, welches auch die Landwirtschaft betrifft. Daneben müssen die Stärkung der Position der Landwirte in der Lebensmittelkette ebenso wie die Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken auf der Tagesordnung bleiben.

Besonders wichtig, weil zukunftsweisend sind die neuen Technologien, so Georges Bach. Dabei geht es um Innovationen, um Precision Farming: Pflanzenschutzmittel werden wohl immer notwendig bleiben, so der Redner, die neuen Technologien, die Digitalisierung erlauben jedoch einen gezielteren Einsatz und damit auch eine effizientere Ressourcennutzung.

Und schließlich muss ein Mentalitätswechsel in Bezug auf das doch derzeit überdimensionale Kontroll- und Sanktionssystem kommen: Weg von einer Mentalität des Misstrauens, hin zu einer Mentalität des Vertrauens muss die Devise lauten.

Landwirtschaftsminister Etgen:

Grundziele der GAP nicht aus den Augen verlieren

Einleitend geht Minister Etgen in seinen Ausführungen auf die ursprünglichen Ziele der GAP ein. Dieselbe wurde eingeführt mit dem Ziel, die Produktivität der Landwirtschaft zu fördern, den Landwirten eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten, die Märkte zu stabilisieren und die Versorgung mit qualitativen Nahrungsmitteln zu vernünftigen Preisen sicherzustellen. Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Umweltaspekte sowie die Erwartungen der Gesellschaft stärker einbezogen, gleichzeitig wurde die EU-Landwirtschaft an die Weltmärkte herangeführt.

Auch in Zukunft spiele die GAP eine eminent wichtige Rolle und angesichts der sich stellenden Herausforderungen bzw. die dem Agrarsektor zugetragenen Aufgaben könne die Landwirtschaft nicht allein den Marktkräften überlassen bleiben, so der Minister, für den es unumgänglich ist, die GAP zu modernisieren und zu vereinfachen. Die Aufteilung der GAP in zwei Säulen soll dabei, auch weil sinnvoll, erhalten bleiben.

Dem Klimaschutz und insbesondere dem Pariser Klimaschutzabkommen wies Landwirtschaftsminister Etgen eine wichtige Rolle zu. Die Landwirtschaft sei hiervon betroffen, da sie für hohe Ammoniakemissionen verantwortlich sei. Agrarumweltmaßnahmen seien demnach unerlässlich für die Integration von Umweltfragen in die GAP. Sie sollen Landwirte motivieren, auf ihren Flächen die Umwelt zu schützen und zu verbessern, indem sie für die dazu erforderliche Arbeit entlohnt werden. Zudem seien Versuchsfelder und Forschungsprojekte ein unverzichtbares Instrument für den Wissenstransfer und zur Umsetzung neuer Produktionsmethoden. Auch werde die Landwirtschaft von morgen sicher zur Energieversorgung und zum Klimaschutz beitragen und die Herstellung von hochwertigen Lebensmitteln garantieren.

In seiner Rede hebt der Minister das Ende Juni veröffentlichte Reflexionspapier der Kommission zur künftigen Finanzierung der EU hervor, sowie die sich mit dem Brexit für die Landwirtschaft stellenden Herausforderungen.

Abschließend verweist er darauf, dass die Landwirtschaft gerade erst eine tiefgreifende Reform hinter sich hat und Kontinuität, Planungssicherheit und Vereinfachung braucht. Demnach braucht das Rad nicht neu erfunden zu werden. Die Grundziele der GAP dürften jedoch nicht aus den Augen verloren gehen: Dazu gehörten die Sicherstellung des landwirtschaftlichen Einkommens, dazu gehöre auch den Fokus auf die Landwirtschaft zu legen sowie sich der Herausforderung einer gerechten Verteilung der EU-Gelder stellen. Und schließlich gelte es noch besser gegenüber der Gesellschaft, der Öffentlichkeit zu vermitteln, was die GAP ist.

In der Diskussion:

Brexit und viele weitere Fragen und Überlegungen

Eine Reihe von Überlegungen bzw. wichtigen und gewichtigen Fragen werden in der anschließenden Diskussion von Seiten der Teilnehmer aufgeworfen. Dabei geht es um den Zeitplan zur Ausarbeitung der GAP nach 2020 und die Verabschiedung der legislativen Vorschläge, die Frage einer Revolution bzw. einer Evolution bei der GAP, den Brexit und dessen Auswirkungen auf die europäische Landwirtschaft, die künftige Politik im Milchbereich sowie um Fragen betreffend Greening und Eiweißversorgung in der EU.

Wesentlicher mehr Importe von konventionellen Lebensmitteln

Auf die Frage einer Revolution bzw. einer Evolution der GAP geht Franz Reisecker ein. Eine Revolution würde wahrscheinlich bedeuten, dass es in der EU keine Pflanzenschutzmittel, wahrscheinlich auch keine chemischen Düngemittel mehr geben würde, d.h. auch keine konventionelle Landwirtschaft mehr. Es würde alles unter Bio laufen… Die Konsequenzen wären dramatisch: Große Teile der europäischen Bevölkerung verfügen nicht über die notwendigen Mittel, um Bioprodukte zu kaufen (wenn deren überhaupt genügend hergestellt würden) und ein ganz wesentlicher Teil der Lebensmittel müssten als konventionelle Lebensmittel aus Drittstaaten in die EU importiert werden. Anders gesagt, man baut das Produktionspotenzial der europäischen Landwirtschaft ab, um immer mehr konventionelle Lebensmittel einzuführen.

GAP sichert die familienbetriebliche Landwirtschaft

Falsch sei es ebenfalls zu meinen, dass wegen der GAP der Wettbewerb nicht funktionieren würde oder aber die Familienbetriebe verschwinden würden. Dank der GAP sind heute in der EU die allermeisten Betriebe noch Familienbetriebe. In anderen Ländern, wo es keine starke Agrarpolitik gibt, dominieren dahingegen Großbetriebe. Als diesbezügliches Beispiel kann Chile genannt werden.

Brexit und die Auswirkungen auf die Landwirtschaft

Besonders verdeutlicht werden in der Diskussion die eventuellen Auswirkungen des Brexit auf die europäische Landwirtschaft. Großbritannien gehört zu den Nettozahlern in der EU und mit dem Austritt Großbritanniens werden im EU-Haushalt (und dies trotz des famosen Britenrabatts) 11 bis 15 Milliarden Euro fehlen, etwa 8% des Gesamtbudgets. Im Agrarhaushalt wird sich dies mit einem Minus von 4 bis 5 Milliarden Euro niederschlagen. Allerdings geht es nicht nur um das fehlende Geld im EU-Haushalt, sondern auch um den Handel mit Agrarprodukten. Großbritannien gehört zu den großen Importeuren von Lebensmitteln, vor allem aus den EU-Mitgliedstaaten: Das Land importiert jährlich Agrar- und Ernährungsgüter im Wert von ca. 57 Milliarden Euro und exportiert Ernährungsgüter im Wert von ca. 25 Milliarden Euro. Die wichtigsten Netto-Importgüter Großbritanniens im Handel mit den EU-Mitgliedstaaten sind Fleisch (2,5 Mrd. Euro Nettoimporte), Gemüse (2,4 Mrd. Euro), Milchprodukte (2,0 Mrd. Euro) und Fleischprodukte (1,8 Mrd. Euro).

Würde es zu einem harten Brexit kommen und der britische Exportmarkt wegbrechen, hätte dies viel schlimmere Konsequenzen für die europäische Landwirtschaft als das Russland-Embargo in 2014. Gerade deshalb drängt die europäische Landwirtschaft auf ein ausgewogenes Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien, damit auch nach dem Brexit 2019 der Handel weiterhin geregelt ablaufen kann und es nicht zu Brüchen kommt. Mehr oder weniger schwerwiegende Marktverwerfungen in der gesamten EU, auch in den Ländern, die kaum oder gar keinen Handel mit Großbritannien betreiben, wären nämlich ohne Handelsabkommen unausweichlich und würden die Landwirtschaft in eine tiefe Krise stürzen.

Milch, Milchpolitik und Milchmarkt

Von besonderem Interesse, vor allem ob der Bedeutung dieser Produktion für den heimischen Markt, waren die Überlegungen in Bezug auf den Milchmarkt bzw. die Ausrichtung der Milchpolitik. Dabei wurde verdeutlicht, dass das Fortschreiben einer Quotenregelung kein sinnvolles Zukunftsmodell gewesen wäre, vor allem auch weil trotz Quotenregelung in der Vergangenheit starke Preisschwankungen bis schwerwiegende Krisen – man denke an 2009 – nicht verhindert wurden. Zwecks Förderung der Strukturentwicklung wäre eine Abschaffung des Quotensystems im übrigen zehn Jahre früher sinnvoll gewesen.

Laut Vize-Präsident von Copa bräuchten wir bei Milch Instrumente und Regeln, mit denen gegebenenfalls auch eine vernünftige Mengenregelung möglich ist. Dabei bewertet er sehr kritisch den Wettbewerb, der zwischen den Molkereien stattfindet, um sich auf dem Markt zu positionieren. Dieser Wettbewerb gehe auf Kosten der Landwirtschaft und auch die Molkereien müssten lernen, anders vorzugehen, um sich nicht nur durch Preisabschläge gegenüber dem Lebensmittelhandel auf dem Markt zu positionieren.

In diesem Zusammenhang betonte auch Landwirtschaftsminister Etgen, dass die Quotenregelung die Landwirte viel Geld gekostet hat. Nun gelte es die sich auf den Weltmärkten bietenden Absatzmöglichkeiten voll zu nutzen. In dem Sinn seien auch die Prospektionsreisen von EU-Agrarkommissar Hogan in die asiatischen Staaten oder nach Japan und Saudi-Arabien von großer Bedeutung. Gerade in diesen Ländern weisen die Märkte zweistellige Wachstumsraten auf und es gelte, die sich dort bietenden Chancen zu ergreifen. Gleichzeitig sollten Instrumente erarbeitet werden, um die Preisschwankungen besser in den Griff zu bekommen. Dazu zählt u.a. ein besseres Monitoring. Allerdings müssten auch die Produzenten lernen, die Betriebsführung so zu gestalten, dass durch Rücklagen in Zeiten besserer Preise Zeiten mit niedrigeren Preisen ausgeglichen werden können.

GAP und Eiweißstrategie

Bei einem weiteren Themenbereich, den wir aus der Diskussion aufgreifen wollen, geht es um die Zwei-Säulenstruktur der GAP bzw. die Verlagerung des Greenings in die 2. Säule. Dabei wird der Standpunkt vertreten, dass die 1. Säule als Einkommensstützung erhalten bleiben muss und die Direktzahlungen (Basisprämie) an die Cross Compliance-Bestimmungen gebunden sein sollen. Die Greeningmaßnahmen sollten in die 2. Säule verlagert werden, wobei sie regionalspezifischer gestaltet werden könnten. Berechtigterweise wird die kritische Frage aufgeworfen, ob mit einer solchen Vorgehensweise nicht doch Gelder für die Landwirtschaft verloren gehen. Auch wird berechtigterweise angeführt, dass die Tierhalter verstärkt im Rahmen der 1. Säule berücksichtigt werden müssten.

Angeprangert wird sowohl von den Referenten als auch den Teilnehmern die fehlende Strategie zur Förderung der Eiweißpflanzen in der EU. Anstatt den heimischen Anbau der Eiweißpflanzen zu stützen, wird immer mehr Palmöl??? importiert! Das erlassene Pflanzenschutzmittelverbot auf ökologischen Vorrangflächen läuft glattweg dem Ziel, die europäische Einweißproduktion zu steigern und damit die Versorgungslage zu verbessern, zuwider. Gerade auch in diesem Bereich wäre eine kohärente Politik von Nöten.